Scham wird meist als ein unangenehmes, allein individuelles Gefühl verstanden. Sie lässt die Menschen sich als minderwertig und ohnmächtig empfinden. Wer sich schämt, fühlt sich entwertet, klein und allein. So besteht das Leben vieler Menschen in einem nicht unwesentlichen Anteil darin, diesem ungeliebten Gefühl auszuweichen.
Didier Eribon, einer der bekanntesten französischen Soziologen unserer Zeit, deutet die Scham um und öffnet sie für einen emanzipatorischen Diskurs. In seinen Büchern «Gesellschaft des Urteils» und «Rückkehr nach Reims», die schon jetzt als Klassiker der Soziologie bezeichnet werden können und die durch eine besondere Verbindung aus Theorie und autobiografischer Prosa hervorstechen, wird Scham verstehbar als ein Produkt der Verteilung und Zuordnung von Macht und Ohnmacht. Eribon verschiebt die Scham in den Bereich des Politischen, macht sie sichtbar als eine Konsequenz sozialer Unterscheidung.
Im Gespräch mit Boris Nikitin taucht Eribon in die eigene Biografie ein und erläutert anhand der jüngsten Geschichte, wie die Scham und ihr Gegenstück, der Zorn, zum Rohstoff politischer Mobilisierung werden können - sei es als individuelle Emanzipation oder als kollektives Aufbäumen.
Das Gespräch mit Didier Eribon ist der siebte Teil der Propaganda-Gesprächsreihe von Boris Nikitin.
12. April, 18Uhr
Kaserne Basel, Rossstall 1
In englischer Sprache
Dauer: 70 min
Freier Eintritt
Konzept Propagandagespräche: Boris Nikitin
Produktionsleitung: Annett Hardegen, Bernhard La Dous
Mit: Didier Eribon